<aside> ℹ️ Teil 10/36 von: We are the change
Von @Klaus Steinfelder, in Notion adaptiert von @StefanMünz

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Ende Mai 2019 fand in der Wiener Hofburg der vom ehemaligen Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, veranstaltete R20 Austrian World Summit statt. Zielsetzung war ein Erfahrungsaustausch von Regionen, die im Bezug auf Klimaschutz Vorreiter in ihren Staaten waren.

Greta Thunberg war zu diesem Kongress eingeladen und redete am zweiten Tag der Konferenz.

Greta Thunberg's speech at the R20 Austrian World Summit, Vienna, May 2019

Greta Thunberg's speech at the R20 Austrian World Summit, Vienna, May 2019

Danke, dass Sie mich eingeladen haben und danke an Sie alle, dass Sie hier sind. Meine Name ist Greta Thunberg und ich bin eine Klimaaktivistin aus Schweden. Während der letzten neun Monate habe ich für das Klima jeden Freitag, vor dem schwedischen Parlament, die Schule bestreikt.

Wir müssen die Art, wie wir mit der Klimakrise umgehen, verändern. Wir müssen die Art, wie wir über die Klimakrise sprechen, verändern. Und wir müssen aussprechen, was sie ist. Ein Notfall.

Ich bin sicher, dass die meisten von uns hier im Großen und Ganzen über die Situation Bescheid wissen. Aber meine wesentlichste Erfahrung aus den letzten Monaten ist, dass die Leute im Allgemeinen wenig über diese Krisensituation wissen. Viele wissen, dass etwas falsch läuft, dass der Planet sich wegen ansteigender Treibhausgase erwärmt. Aber wir sind uns nicht über die exakten Konsequenzen bewusst. Die große Mehrheit weiß sehr viel weniger als wir denken. Und das sollte uns nicht überraschen. Es wurden ihnen nie die Kurven gezeigt, an denen man sehen kann, wie stark die CO2-Emissionen reduziert werden müssen, um unterhalb der Grenze von 1,5° zu bleiben. Es wurde ihnen nie die Bedeutung des Aspekts der Klimagerechtigkeit im Pariser Abkommen -und warum dies so wichtig ist- erklärt. Es wurde ihnen nie etwas über Rückkopplungen oder Kipppunkte gesagt, oder was ein außer Kontrolle geratener Treibhauseffekt ist. Viele kennen kaum einen der grundlegenden Fakten. Wie könnten sie auch. Es wurde ihnen nie erklärt, oder noch wichtiger, es wurde ihnen nie von den richtigen Leuten erklärt.

Wir sind Homo Sapiens aus der Familie Humanoide aus der Ordnung Primaten aus der Klasse der Säugetiere als Teil der Tierwelt. Wir sind ein Teil der Natur. Wir sind soziale Tiere und orientieren uns an unseren Anführern.

In den letzten Monaten haben Millionen von Kindern demonstriert um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Aber wir Kinder sind keine Anführer und unglücklicherweise auch keine Wissenschaftler. Aber viele von Ihnen hier schon. Präsidenten, Schauspieler, Politiker, CEO`s, Journalisten. Die Menschen hören auf Euch, Ihr habt Einfluss auf sie. Und deswegen habt Ihr eine enorme Verantwortung. Und lasst uns ehrlich sein, dies ist eine Verantwortung, der ihr nicht nachgekommen seid. Ihr könnt Euch nicht darauf verlassen, dass die Menschen zwischen den Zeilen lesen oder selbst nach Informationen suchen, sich durch die IPCC-Reports lesen und die Keeling-Kurve betrachten, um sich über das schnell verschwindende Kohlenstoffbudget zu informieren. Es wäre Eure Aufgabe, diese Dinge zu erklären, immer und immer wieder, egal wie unprofitabel und unbequem das sein mag.

Und ja, eine transformierte Welt wird viele neue Vorteile haben, aber Ihr müsst verstehen, es geht hier nicht in erster Linie um eine Möglichkeit neue grüne Geschäftsfelder, grüne Jobs oder grünes Wachstum zu generieren. Dies ist vor allem ein Notfall. Und nicht irgendein Notfall. Dies ist die größte Krise, vor der die Menschheit jemals stand. Das ist nichts, was ihr auf Facebook liken könnt.

Als ich das erste Mal von dem Klima- und Umwelt-Breakdown hörte, konnte ich nicht glauben, dass dies wirklich stattfinden könnte. Denn wie könnte es sein, wie könnten wir vor einer existenziellen Krise stehen, die unser Überleben bedroht, ohne dass dies unsere erste Priorität wäre. Wenn da wirklich so eine große Krise wäre, dann würden wir doch kaum mehr über etwas anderes sprechen. Jedes Mal, wenn man den Fernseher anschalten würde, würde es nur darum gehen. Schlagzeilen, Radio, Zeitungen, man würde kaum noch über etwas anderes lesen. Und die Politiker würden sicherlich alles getan haben, was bis jetzt getan werden musste. Oder würden sie das etwa nicht? Sie würden die ganze Zeit Krisensitzungen abhalten, würden überall den Klimanotstand ausrufen und würden all ihre wache Zeit benutzen, um die Situation in den Griff zu bekommen und um die Menschen darüber zu informieren, was vor sich geht.

Aber es war nie so. Die Klimakrise wurde behandelt wie jeder andere Vorgang, oder sogar mit geringerer Priorität. Jedes Mal, wenn man einen Politiker darüber reden hört, klingt das nicht nach Dringlichkeit. Nach deren Meinung gäbe es immer unzählige neue Technologien und einfache Lösungen, die - wenn sie nur angewendet werden - alle Probleme lösen werden.

Politiker sagen in einer Sekunde, die Sache mit dem Klimawandel ist sehr wichtig, es ist der wichtigste Punkt überhaupt, und wir werden alles tun, um ihn zu stoppen, und in der nächsten Sekunde reden sie über die Erweiterung eines Flughafens, über ein neues Kohlekraftwerk, Autobahnen und steigen anschließend in einem Privatjet um zum nächsten Meeting zu fliegen. So handelt man nicht in einer Krise.

Menschen sind soziale Lebewesen. Wir können diese Tatsache nicht ignorieren. Und solange Ihr, die Politiker und Vorbilder, Euch so verhaltet, als wäre alles in Ordnung und ihr hättet alles unter Kontrolle, werden die Menschen nicht verstehen, dass wir in einer Krise sind. Ihr könnt nicht weiterhin über spezifische isolierte Lösungen für spezifische isolierte Probleme reden. Wir müssen das ganze Bild sehen. Wenn ihr sagt, dass wir diese Krise lösen können, indem wir vielleicht einige Steuern erhöhen oder senken, in 10 oder 15 Jahren aus der Kohle aussteigen, auf neue Gebäude Solarpanels montieren, oder mehr E-Autos produzieren, dann werden die Leute denken, wir können die Krise lösen, ohne dass wir große Anstrengungen machen müssten. Und das ist sehr gefährlich. Denn spezifische isolierte Lösungen sind nicht mehr genug. Und Ihr wisst das. Wir müssen nun so gut wie alles verändern. Wir brauchen eine völlig neue Art des Denkens.

Ich weiß, ihr sucht verzweifelt nach Hoffnung und nach Lösungen. Aber die größte Quelle für Hoffnung und die leichteste Lösung stand die ganze Zeit direkt vor Euch. Und zwar wir, die Menschen. Und die Tatsache, dass wir zu wenig wissen. Wir Menschen sind nicht dumm. Wir ruinieren nicht die Biosphäre und die zukünftigen Lebensgrundlagen aller Spezies, weil wir böse wären. Uns ist das Problem einfach nicht bewusst. Aber wenn wir verstehen und die Situation realisieren, dann handeln wir. Wir verändern. Menschen sind sehr anpassungsfähig.

Anstatt also nur davon besessen zu sein, Lösungen zu finden für ein Problem, von dem die meisten von uns noch nicht einmal wissen, dass es existiert, müsst Ihr euch vielmehr darauf fokussieren, uns über das Problem zu informieren.

Wir müssen eingestehen, dass wir jetzt noch nicht alle Lösungen haben, wir müssen zugeben, dass wir die Situation nicht unter Kontrolle haben. Und wir müssen eingestehen, dass wir dabei sind, diese Schlacht zu verlieren. Wir müssen aufhören, uns um einzelne Wörter und Zahlen zu streiten, denn dafür haben wir keine Zeit mehr. Um es mit den Worten des Autors Alex Steffen zu sagen: „Langsam zu gewinnen ist dasselbe wie verlieren, wenn es um den Klimawandel geht.